Samstag, 9. August 2014

Das Unternehmensorchester: Sinfonie oder Kakophonie

Otto Scharmer vergleicht in seinem Buch Theroie U ein Unternehmen mit einem Orchester. Eine anschauliche Analogie, die einige absurde Verhaltensweisen in Unternehmen aufdeckt. Ich habe diesen Vergleich aufgegriffen und weiter ausgebaut:

Oft hat man das Gefühl, dass wir in Unternehmen immer wieder versuchen mit Instrumenten zu spielen, die reichlich verstimmt sind. Anstatt das einzig Sinnvolle zu tun und anzuhalten, um die Instrumente gemeinsam neu zu stimmen, erhöhen wir das Tempo. Falls das nicht funktioniert, stellen wir Berater ein, welche die Produktivität erhöhen und die Zeit zum stimmen der Instrumente und zum Üben noch weiter reduzieren. Oder wir stellen neue Dirigenten ein, die versprechen noch schneller zu dirigieren. Statt Geduld mit den Spielern aufzubringen und zu üben, nehmen die Dirigenten selbst das Musikinstrument und spielen im Orchester mit. Von Zeit zu Zeit organisieren wir das Orchester um und wer bisher Violine gespielt hat, kommt dann an die Tuba. Manche Orchester wissen nicht, welches Stück überhaupt gespielt wird und manche Dirigenten versuchen mit drei Geigern und einer Trompete eine komplette Sinfonie zu spielen. Weil die Kakophonie jedem in den Ohren weh tut, verschließen wir uns und spielen nur noch "unser Ding". Misstöne liegen immer an den Anderen, die nicht spielen können oder am Dirigenten, der nicht dirigieren kann. Wir fragen uns nicht, was wir selbst verbessern können und erwarten vom Dirigenten, dass er jedes kleine Problem löst. Zur Problemlösung führen wir elektronische Notenbücher ein, welche für alle Orchestermitglieder gleichzeitig vom Dirigenten gesteuert umblättern. Dabei übersehen wir, dass die Konzerte Open Air stattfinden und die Displays dort nicht lesbar sind. Hilfesuchend springen wir auf den neuesten Trend aus den USA auf und spielen fortan agilen Free Jazz. So mit uns selbst beschäftigt bekommen wir nicht mit, wenn sich ein neuer Musikstil entwickelt und am Ende die Zuhörer ausbleiben.

Ich selbst habe solche oder ähnliche Erfahrungen sowohl in der Rolle eines Spielers wie auch eines Dirigenten gemacht. Anhand der Analogie sieht man sehr gut, wie sich diese Rollen bedingen. Wenn ich als Dirigent die Violinistin an die Tuba setze, muss ich mich nicht wundern, dass sie von mir wissen will, wie sie eine Tuba spielt. Wenn ich als Spieler nicht selbst übe, muss ich mich nicht wundern, wenn der Dirigent mir das Instrument wegnimmt und selbst spielt oder das Orchester umorganisiert.

Ich glaube, ich habe so ziemlich alle Fehler in diesem Kontext gemacht, die man machen kann. Das einzige was hilft, ist anzuhalten, die Instrumente neu zu stimmen und gemeinsam zu üben. Dabei ist der innere Ort (oder unser Mindset), von wo aus wir innehalten sehr wichtig. Hier ein paar Grundsätze, die ein Innehalten und Üben erleichtern:

  1. Die Fakten so anzuerkennen wie sie sind, ohne zu urteilen. Der Grat zwischen einer Anklage "du kannst nicht Tuba spielen" und dem Fakt "die Tuba klingt schräg" ist sehr schmal. Dieses Innehalten braucht Zeit, denn manchmal ist unsere Wortwahl ganz nah an einem Urteil z.B. "Deine Tuba klingt falsch". Und manchmal hört der Tubaspieler eine Anklage, wo keine gemeint ist. Wir brauchen Zeit, solche Missverständnisse auszuräumen.
  2. Empathie für den Anderen aufbringen. Wir können davon ausgehen, dass jeder der in unserem Orchester spielt auch in unserem Orchester spielen möchte. Und keiner möchte eine Kakophonie spielen sondern viel lieber eine Sinfonie. Statt den anderen zu verurteilen und zu denken "Du kannst nicht Tuba spielen" oder "Du kannst nicht dirigieren" können wir annehmen, dass irgendetwas den anderen hindert, sein Bestes zu geben. Wir können ihn ganz offen fragen "Was brauchst Du, um Dein Bestes zu geben?" oder sogar noch direkter "Was brauchst Du von mir, wie kann ich Dich unterstützen?". Was viele übersehen: Das schließt den Dirigenten mit ein! Wer hat schon mal seinen Chef gefragt: Was brauchst Du von mir, um mich besser führen zu können?
  3. Auch kleine Erfolge wahrnehmen. Wenn nach dem Innehalten und Üben aus einer Kakophonie bereits der erste Satz der Sinfonie halbwegs passabel klingt, ist das ein Fortschritt und ein Grund zum Loben und Feiern. Ich war als Führungskraft so auf die gesamte Sinfonie konzentriert, dass ich die kleinen Erfolge übersehen habe und anstatt diese zu würdigen, habe ich immer das Fehlende angemahnt. Geholfen hat es nichts.
Es gibt sicher noch viel mehr dazu zu sagen oder schreiben. Wenn Sie Interesse haben, ihr eigenes Instrument zu stimmen, besuchen Sie doch mein neues MyWay Training. Möchten Sie in Ihrem beruflichen Umfeld innehalten und üben, buchen Sie doch einen maßgeschneiderten Workshop. Ich freue mich über jedes Feedback und hoffe, dass in Ihrem Orchester viele gut gestimmte Instrumente spielen.



Donnerstag, 27. Februar 2014

Die Säge schärfen

Stephen R. Covey schrieb eine Geschichte bei der zwei Holzfäller ununterbrochen Bäume sägen und sich keine Zeit nehmen, die Säge zu schärfen. Weil sie so viel zu arbeiten haben und die Säge nicht schärfen, wird die Arbeit immer anstrengender und ineffizienter. 

Übertragen auf die Arbeitswelt kann ich diese Situation oft beobachten. Durch die Rationalisierungen der letzten Jahrzehnte sind die Angestellten mit Arbeit überhäuft und schaffen kaum noch ihr Tagespensum. Sie haben nicht die Zeit (und nehmen sich auch keine Zeit), neue Methoden und Technologien auszuprobieren und zu lernen.
Dabei sind die neuen Lean-Management Methoden und die Cloud-Computing Techniken in Verbindung mit Smartphones und Tablets eine Weiterentwicklung wie etwa die Motorsäge gegenüber der Handsäge.
Wie schärfen Sie Ihre eigene Säge?
Manchmal erlebe ich es, dass Mitarbeiter gar nicht mehr wissen, wie sie lernen. Wenn sie nach mehreren Jahren permanenten Arbeitsdrucks die Aufgabe bekommen, eine neue Methode oder Technik zu untersuchen und zu bewerten, sehe ich ratlose Gesichter in denen die stumme Frage „Wie mache ich das?“ geschrieben steht.
Meiner Meinung nach zählt für viele Unternehmen in Zukunft nicht mehr, wie effizient sie arbeiten, sondern wir gut und schnell ihre Mitarbeiter lernen und neue Möglichkeiten ins Geschäftsleben integrieren. Heute spricht man von disruptiven Geschäftsmodellen, wenn ein Newcomer eine ganze Branche umkrempelt. Ein gutes Beispiel sind die Entwickler der App myTaxi, die sehr wahrscheinlich vielen Taxizentralen den Garaus machen werden.
Doch was ist daran disruptiv? Jede Taxizentrale hätte eine entsprechende App entwerfen und programmieren lassen können. Doch sie haben sich nicht mit den neuen technischen Möglichkeiten befasst. Und jetzt ist es fast zu spät, um noch gegen MyTaxi zu konkurrieren. So werden etablierte Unternehmen, die sich keine Zeit zum Lernen nehmen, von den schnelleren Unternehmen vom Markt verdrängt.
Die Amerikaner nennen unproduktive Zeit, die nicht der eigentlichen Arbeit dient, Slack-Zeit. Zeit nachzudenken, Prioritäten zu setzen oder etwas Neues auszuprobieren. Moderne Unternehmen „verordnen“ ihren Mitarbeiter diese Slack-Zeit.
Bekannt ist auch das Eisenhower-Prinzip, welches Aktivitäten in wichtig bzw. dringend einteilt. Im Tagesgeschäft sind die meisten Menschen auf der Dringend-Achse in den Quadranten I und III unterwegs. Wenn es uns allerdings nicht gelingt, heute Zeit für die wichtigen aber (noch) nicht dringenden Aufgaben frei zu halten (Quadrant II), werden diese morgen zu wichtigen und dringenden Aufgaben oder sogar zu disruptiven Geschäftsmodellen.

Schärfen Sie deshalb von Zeit zu Zeit Ihre Säge und wenn Sie Führungskraft sind, sorgen Sie dafür, dass auch Ihre Mitarbeiter hin und wieder ihre Säge schärfen.